
Finkenrath erschien "Stadtwald" als ein Wort ähnlich widersprüchlich wie Eisfeuer oder Schwarzweiß. Doch das Abendlicht zwischen den Stieleichen und Ahornriesen führte ihn bis zu einer Bank, die ihm Ausblick bot auf den Decksteiner Weiher und einen Weg, der Dutzenden Feierabend-Sportlern als Laufstrecke diente. Das Knirschen der Hi-Tech-Schuhe auf dem trockenen Weg kam rhythmisch und meist kraftvoll. War der Läufer oder die Läuferin müde, schleiften die Fersen bei fast jedem Schritt kurz über den körnigen Belag.
Durch Finkenraths Blickfeld schob sich Ruderboot Nr. 17, in verblichenem Rot. Im Bug saß eine Frau, die sich mit beiden Armen auf den Dollborden abstützte und so ihren Oberkörper aufrichtete. Ihr Blick verlor sich in einer auf diesem überschaubaren Teich nur vorgestellten, nur denkbaren Ferne. Finkenrath fiel gerade jetzt der Straßenlärm auf, der rechts hinter ihm, jenseits eines schmalen Waldstreifens, an- und abschwoll. Jetzt sah er auch, in einer Lücke zwischen den Bäumen am jenseitigen Ufer des Weihers, dort, wo elf blassrote Ruderboote festgemacht waren, ein sechsstöckiges, graues Bürohaus mit einem angesetzten Aufzugsturm, auf dem, Finkenrath setzte seine Brille auf, vier Funkstabantennen wahrscheinlich gerade Hunderte von Gesprächen und Mitteilungen weiterleiteten. Stadtwald.
Auf einer Lichtung, Finkenrath trug immer noch die Brille, sah er einen Mann mit nacktem Oberkörper im vertrocknenden Gras liegen, neben seinem (seinem?) Fahrrad, das sich ebenfalls hingelegt hatte. Auf diese Entfernung von etwa 150 Metern konnte Finkenrath trotz seiner Sehhilfe nicht erkennen, ob der Mann lebte. Seine Hautfarbe war stadtsommerweiß, nicht bleich und zeigte kein Blau. Finkenrath entschied, dass der Mann, er lag auf dem Bauch, lebte. Ein Eingreifen seinerseits wäre nachgerade einem Übergriff gleichgekommen, auf jeden Fall sehr peinlich.
Auf der Nachbarbank hatten sich zwei junge Frauen niedergelassen. Eine geöffnete Bierflasche stand zwischen ihnen. Sie rauchten. Die eine erklärte der anderen — Finkenrath konnte nicht vermeiden, es mitanzuhören — wieso sie gerade jetzt gerade diese wichtige Entscheidung getroffen habe, habe treffen müssen! „Verstehst du jetzt, warum ich da weg musste?“, sagte die Dunkelhaarige, aufspringend und einen Pulli, den sie wohl wegen der kommenden Abendkühle bereithielt, herumschleudernd, um eine Wespe zu verjagen. Die Blonde bestätigte matt, nicht wirklich überzeugt. Finkenrath überraschte es, dass die jungen Frauen gerade jetzt dabei waren, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben, im selben Moment, in dem er, der 50-Jährige, vergehende Formen und irritierende Wege seines Lebens rückschauend zu betrachten sich immer wieder Zeit nahm. Er dachte: Die Gleichzeitigkeit alles Seienden. Im selben Augenblick kam ihm die Erkenntnis kitschig und banal vor.
Als er aufsah, beeindruckte ihn eine klinisch weiße Wolke überm Weiher. Kurzzeitig erschien es ihm, als sei sie von der Stadtverwaltung hier angebracht worden, hier im Stadtwald.
Durch Finkenraths Blickfeld schob sich Ruderboot Nr. 17, in verblichenem Rot. Im Bug saß eine Frau, die sich mit beiden Armen auf den Dollborden abstützte und so ihren Oberkörper aufrichtete. Ihr Blick verlor sich in einer auf diesem überschaubaren Teich nur vorgestellten, nur denkbaren Ferne. Finkenrath fiel gerade jetzt der Straßenlärm auf, der rechts hinter ihm, jenseits eines schmalen Waldstreifens, an- und abschwoll. Jetzt sah er auch, in einer Lücke zwischen den Bäumen am jenseitigen Ufer des Weihers, dort, wo elf blassrote Ruderboote festgemacht waren, ein sechsstöckiges, graues Bürohaus mit einem angesetzten Aufzugsturm, auf dem, Finkenrath setzte seine Brille auf, vier Funkstabantennen wahrscheinlich gerade Hunderte von Gesprächen und Mitteilungen weiterleiteten. Stadtwald.
Auf einer Lichtung, Finkenrath trug immer noch die Brille, sah er einen Mann mit nacktem Oberkörper im vertrocknenden Gras liegen, neben seinem (seinem?) Fahrrad, das sich ebenfalls hingelegt hatte. Auf diese Entfernung von etwa 150 Metern konnte Finkenrath trotz seiner Sehhilfe nicht erkennen, ob der Mann lebte. Seine Hautfarbe war stadtsommerweiß, nicht bleich und zeigte kein Blau. Finkenrath entschied, dass der Mann, er lag auf dem Bauch, lebte. Ein Eingreifen seinerseits wäre nachgerade einem Übergriff gleichgekommen, auf jeden Fall sehr peinlich.
Auf der Nachbarbank hatten sich zwei junge Frauen niedergelassen. Eine geöffnete Bierflasche stand zwischen ihnen. Sie rauchten. Die eine erklärte der anderen — Finkenrath konnte nicht vermeiden, es mitanzuhören — wieso sie gerade jetzt gerade diese wichtige Entscheidung getroffen habe, habe treffen müssen! „Verstehst du jetzt, warum ich da weg musste?“, sagte die Dunkelhaarige, aufspringend und einen Pulli, den sie wohl wegen der kommenden Abendkühle bereithielt, herumschleudernd, um eine Wespe zu verjagen. Die Blonde bestätigte matt, nicht wirklich überzeugt. Finkenrath überraschte es, dass die jungen Frauen gerade jetzt dabei waren, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben, im selben Moment, in dem er, der 50-Jährige, vergehende Formen und irritierende Wege seines Lebens rückschauend zu betrachten sich immer wieder Zeit nahm. Er dachte: Die Gleichzeitigkeit alles Seienden. Im selben Augenblick kam ihm die Erkenntnis kitschig und banal vor.
Als er aufsah, beeindruckte ihn eine klinisch weiße Wolke überm Weiher. Kurzzeitig erschien es ihm, als sei sie von der Stadtverwaltung hier angebracht worden, hier im Stadtwald.
hanno erdwein,
Montag, 20. Oktober 2008, 23:16
Was man so alles im Stadtwald antreffen kann - das ist ja mal wieder das satte Leben! Satt? Ob der Typ im Gras das Leben satt hat? Vielleicht sollte Finkenrath das die bleiche heraufziehende Wolke fragen.
Übrigens hätte er als selbsternannter Tierfreund die Pflicht gehabt, der Pulli schwenkenden Zicke das Schlagen nach der Wespe zu verbieten. Welch ein Versäumnis! Was würde Meisenberg dazu sagen?: "Die besten Prinzipien sind immer jene, gegen die man selbst mit Fleiß verstößt." - Gruß Joe
Übrigens hätte er als selbsternannter Tierfreund die Pflicht gehabt, der Pulli schwenkenden Zicke das Schlagen nach der Wespe zu verbieten. Welch ein Versäumnis! Was würde Meisenberg dazu sagen?: "Die besten Prinzipien sind immer jene, gegen die man selbst mit Fleiß verstößt." - Gruß Joe