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Finkenraths Achtsamkeiten
Finkenrath huldigt
scroll | 15. Januar 09 | Topic 'Religion'
Am Internet-Terminal in der Empfangshalle der Klinik loggt Finkenrath sich gerade formell aus, damit seine Mails nicht von anderen (Besuchern, Patienten, Personal) gelesen werden können. Regina hatte ihm auf seine Anregung hin ein Foto von sich gemailt, als Dateianhang, was, wie sie schrieb, nicht ganz einfach für sie gewesen war. Er hatte ihr eine Webcam zum Fest geschenkt und sich auf einen Videoplausch während seines Aufenthaltes hier in Nürnberg gefreut, aber die Technik war hier noch nicht so weit. Mails aber konnte er empfangen und versenden, wenn das Terminal frei war.
Er versucht die Zurücktaste und schaut, ob sein Zugang noch aktiv ist, aber er kann sich sicher sein, dass seine Spuren gelöscht sind. Kinderstimmen hört er hinter sich in der Sitzecke im Wartebereich. Und eine Frauenstimme (mütterlich jung): „Müsst ihr denn Vokabeln lernen über die Ferien?“, fragt sie, und eine Mädchenstimme sagt: „Ich hab schon zwei Kapitel gelernt.“
Sonst sitzen hier nur Senioren aller Klassen. Finkenrath dreht sich um und erblickt eine Königin und zwei Könige mit einer jungen Frau, die ihnen gegenüber sitzt. Die Königin trägt wegen der extremen Kälte in diesem Winter eine Daunenjacke und Fäustlinge. Auf dem Kopf trägt sie mit aller nötigen Würde eine goldene Pappkrone. Darunter quellen üppige Zöpfe hervor. Der König in der Mitte trägt im Schoß einen rotsamtenen Klingelbeutel, der ober einen Einwurfschlitz im Messingdeckel hat. König 3, vielleicht Balthasar, hält einen Stern am Besenstiel vor sich: Güldene Papppracht.
Während Finkenrath noch huldigt und nach Kleingeld in seiner Hosentasche gräbt, hört er die Königin memorieren: „... Gottes Wort hin....“ Der Rest geht unter. Der Beutel ist noch völlig leer, das hört Finkenrath am Klang seiner Münzen, die jwetzt nicht mehr seine Münzen sind. Gerne ließe er sichj etwas vorsingen, aber hat sein Genüge an dem Auswendiglernen der Königin: „... unsere Gaben bringen.... Gottes Sohn....“
Finkenrath ist froh, diese Worte aus Kindermund zu hören. Auf seiner Station ist er zusammen mit einer Mutter (20), die ihr Kind weggegeben hat, nicht lesen und schreiben und mit der Therapie nichts anfangen kann. Eine andere, nicht viel älter, hat keine Wohnung und bleibt deshalb in der Klinik, so lange es geht. Sie macht sich krank dafür. Ein Dritter, vielleicht Melchior, ist 9 und will Arzt werden. Seine Mutter kümmert sich um ihren aktuellen Freund, während Melchior fernsieht und einen verfickten Wortschatz entwickelt hat.
Finkenrath möchte sich vor den Hl. Drei Königen in den Staub werfen. Wegen der überladenen Schmutzsaugmatten in der tausalzwassergetränkten Eingangshalle verzichtet er darauf für den Moment.

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hanno erdwein, Montag, 13. April 2009, 09:48
Wahren Königen begegnet man heute selten. Sicher eine aussterbende Popularität - wie so vieles, was in die Nebel der Vergangenheit sinkt und nimmer wiederkehrt. somit ist das Huldigen durchaus verständlich, wenn auch der profane Hallenschmutz daran hindert. Wackerer finkenrath! - Hanno

scroll, Freitag, 17. April 2009, 22:26
Wenn Finkenrath auf Empfang geschaltet hat, begegnen ihm diese Gestalten oft. Oft schaltet Finkenrath ab. Was Wunder auch....

hanno erdwein, Sonntag, 19. April 2009, 01:11
Weshalb abschalten? Man braucht doch "Begegnungen", oder? Hanno

hanno erdwein, Mittwoch, 6. Mai 2009, 18:15
Huldige nur, mein Finkenrath,
Solang nicht platzt die Hosennaht
Der Staub, das Schneegeschmiere zeigt
Wo Finkenrath sich hat verneigt
:-)
Vrav, brav! Hanno
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