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Finkenraths Achtsamkeiten
Donnerstag, 10. Juni 2010
Finkenrath bekennt sich...
scroll | 10. Juni 10 | Topic 'Religion'
Finkenrath bekennt sich

nach einem Grabpflegebesuch im Gespräch mit Regina zu seiner Hoffnung auf eine erlöste Welt. Mehr noch – er klagt über das Nichterlöste, das ihn an diesem Tag bedrängt. Da hat im Braunschweigischen eine Mutter ihre drei Kinder erwürgt, bevor sie sich erhängt hat. Begleittext zum Frühstück. Dann die Gräber seiner Eltern. Finkenrath ist müde.
Seine Klagen machen Regina zu schaffen. Sie macht ihm Vorhaltungen wegen seiner Schwarzseherei. Er ist überrascht von dieser Deutung. Er sehnt sich -körperlich fast - nach Erlösung und rechtfertigt dies, indem er lautstark an die Bitte aus dem Vaterunser erinnert: „Dein Reich komme!“ Regina antwortet ebenso laut und aus voller Überzeugung: „Aber doch nicht jetzt!“
Finkenrath ist hingerissen von der Offenheit und Lebensfreude, die daraus spricht. Er lacht herzhaft.

(c) 2010

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Donnerstag, 15. Januar 2009
Finkenrath huldigt
scroll | 15. Januar 09 | Topic 'Religion'
Am Internet-Terminal in der Empfangshalle der Klinik loggt Finkenrath sich gerade formell aus, damit seine Mails nicht von anderen (Besuchern, Patienten, Personal) gelesen werden können. Regina hatte ihm auf seine Anregung hin ein Foto von sich gemailt, als Dateianhang, was, wie sie schrieb, nicht ganz einfach für sie gewesen war. Er hatte ihr eine Webcam zum Fest geschenkt und sich auf einen Videoplausch während seines Aufenthaltes hier in Nürnberg gefreut, aber die Technik war hier noch nicht so weit. Mails aber konnte er empfangen und versenden, wenn das Terminal frei war.
Er versucht die Zurücktaste und schaut, ob sein Zugang noch aktiv ist, aber er kann sich sicher sein, dass seine Spuren gelöscht sind. Kinderstimmen hört er hinter sich in der Sitzecke im Wartebereich. Und eine Frauenstimme (mütterlich jung): „Müsst ihr denn Vokabeln lernen über die Ferien?“, fragt sie, und eine Mädchenstimme sagt: „Ich hab schon zwei Kapitel gelernt.“
Sonst sitzen hier nur Senioren aller Klassen. Finkenrath dreht sich um und erblickt eine Königin und zwei Könige mit einer jungen Frau, die ihnen gegenüber sitzt. Die Königin trägt wegen der extremen Kälte in diesem Winter eine Daunenjacke und Fäustlinge. Auf dem Kopf trägt sie mit aller nötigen Würde eine goldene Pappkrone. Darunter quellen üppige Zöpfe hervor. Der König in der Mitte trägt im Schoß einen rotsamtenen Klingelbeutel, der ober einen Einwurfschlitz im Messingdeckel hat. König 3, vielleicht Balthasar, hält einen Stern am Besenstiel vor sich: Güldene Papppracht.
Während Finkenrath noch huldigt und nach Kleingeld in seiner Hosentasche gräbt, hört er die Königin memorieren: „... Gottes Wort hin....“ Der Rest geht unter. Der Beutel ist noch völlig leer, das hört Finkenrath am Klang seiner Münzen, die jwetzt nicht mehr seine Münzen sind. Gerne ließe er sichj etwas vorsingen, aber hat sein Genüge an dem Auswendiglernen der Königin: „... unsere Gaben bringen.... Gottes Sohn....“
Finkenrath ist froh, diese Worte aus Kindermund zu hören. Auf seiner Station ist er zusammen mit einer Mutter (20), die ihr Kind weggegeben hat, nicht lesen und schreiben und mit der Therapie nichts anfangen kann. Eine andere, nicht viel älter, hat keine Wohnung und bleibt deshalb in der Klinik, so lange es geht. Sie macht sich krank dafür. Ein Dritter, vielleicht Melchior, ist 9 und will Arzt werden. Seine Mutter kümmert sich um ihren aktuellen Freund, während Melchior fernsieht und einen verfickten Wortschatz entwickelt hat.
Finkenrath möchte sich vor den Hl. Drei Königen in den Staub werfen. Wegen der überladenen Schmutzsaugmatten in der tausalzwassergetränkten Eingangshalle verzichtet er darauf für den Moment.

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