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Finkenraths Achtsamkeiten
Donnerstag, 25. August 2011
Finkenrath macht Ferien
scroll | 25. August 11 | Topic 'Altern'
Manches will Finkenrath einfach nicht wissen und nicht behalten.
Seine Kontonummer muss er auf seiner Karte ablesen, wenn er gefragt wird. Das Konto hat er seit elf Jahren, aber er hat es nie geliebt. Es war ihm passiert, online. Plötzlich hatte er ein Konto in Kiel, wo er noch nie war.

Er will auch nicht wissen, wann die Schule wieder anfängt. Und er wird oft gefragt, von Regina, den Kindern. Auch Nachbarn fragen schon mal, dann meist mit dem Unterton: Wann fängst du endlich wieder an zu arbeiten?!
Er gibt sich dann souverän: Man wird mich schon informieren, denn ohne mich können sie nichts tun.

Diese mühsame Distanz durchbricht ein Anruf in den Ferien. Finkenrath hatte sich gerade in die Trauer um den Tod Loriots versenkt.

Das Display zeigt eine Handynummer, unbekannt. Aber sofort nach dem Abheben gibt sich der Anrufer kurz und deutlich als neuer Kollege zu erkennen: . ...erste Stelle...habe da ein paar Fragen...Sie haben doch auch eine 11....

Die Stimme ist eine hohe Lehrerstimme, aufgeregt und voller Tatendrang. Es kommt dem Anrufer nicht in den Sinn, dass er heilige Gesetze durchbricht. Er will auf der Stelle wissen, welche Themenfolge das Curriculum für dieses Jahr festlegt.

Finkenrath muss bluffen, denn er erinnert sich nicht. Im Grunde weiß der Anrufer es besser, und er muss ihn nur bestätigen.

Der Anrufer hält es für eine prima Idee, doch einmal zusammenzukommen und „Material“ auszutauschen.

Finkenrath erinnert sich an etwa 25 Sitzungen zwecks Materialaustausch, von denen auch nicht eine die Arbeit erleichtert hat.
Er sieht vor sich die eigens aufgestellten Material-Sammelordner in den Lehrerzimmern, die allesamt an Unterernährung leiden.

Prima Idee, sagt Finkenrath. Er kann doch diesem Eifer nicht seine „Erfahrung“ entgegenschleudern.
Er sieht sich selbst vor 30 Jahren, voller Eifer Matrizen betippend und verteilend - verteilte und betippte Matrizen lesend.

Prima Idee, sagt er noch einmal. Es gelingt ihm gerade noch, ein Sondertreffen abzuwenden und den Anrufer auf die nächste amtliche Fachschaftssitzung zu vertrösten.

Dann fragt er noch, wann denn die Schule wieder anfängt.

Ach was....

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Freitag, 21. November 2008
Finkenrath schwitzt
scroll | 21. November 08 | Topic 'Altern'
in seiner Outdoorjacke. Schon vor drei Wochen hat er die Innenjacke aus Fleece eingezogen. Die Jacke ist offen. Die Novembersonne scheint tief vom blauen Himmel her, blendet beim Anstieg.
Finkenrath geht seine runde, versucht dort zu flanieren, wo er jeden Stein schon kennt. Er hat die Kameratasche umgehängt. Spürt, wie sie den Atemraum eng macht. Auf seiner Bank, auf der Höhe, legt er ab. Macht ein Foto,

und weiß sofort, dass es nichts vom dem zeigen wird, was er sieht:
Fast einen Sommertag, in dem Monat, vor dem er sich jedes Jahr so fürchtet.
Eine einzige Lerche jubelt ihm etwas vor. Bergisches Gold auf den Bäumen wärmt den Blick, will nicht gehen oder wartet gelassen auf das Ab-Sterben. Bildet schon neues aus und versteckts.
Ein Schaf hat Wolle gelassen auf der offenen Wiese. Kronenkorken. Kaugummipapier.
Und ein Grasgrün, das alles aufbietet für diesen Tag, der fast ein Sommertag ist.
Finkenrath hat eine Artikelüberschrift im Kopf: Zu jung? Zu alt? Wie man lernt, sein aktuelles alter anzunehmen.
Finkenrath will sich selbst Gedanken dazu machen.
Jetzt wird es ihm zu kühl.
Aber er ist auf einem guten Weg.

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